Dietmar Schlau | Heilpraktiker für Psychotherapie • Villingen |
Ein Elefant, der lange genug angekettet war, läuft nicht weg, auch wenn die Kette längst ab ist. |
„Das gilt auch für Menschen.“
Dietmar Schlau |
Die Verhaltenstherapie geht zurück auf die berühmten "Pawlowschen Hunde". Iwan Pawlow untersuchte den Speichelfluss von Hunden, wenn er ihnen Futter vorsetzte. Nach einiger Zeit setzte der Speichelfluss der Tiere aber schon ein, bevor sie das Futter serviert bekamen. Pawlow erkannte, dass bereits die Geräusche der Schritte des Pflegers - die das Futter ankündigten - ausreichten, um den Speichelfluss zu aktivieren. Pawlow schloss daraus, dass selbst Vorgänge gelernt werden können, die nicht dem Willen unterliegen.
Anfangs ging man davon aus, dass Gedanken, Motive und Gewissensinhalte bei den Lernprozessen kaum eine Rolle spielen (= reine Verhaltenstherapie), heute ist man der Meinung, dass diese kognitiven Elemente sehr wohl einen Einfluss haben (= kognitive Verhaltenstherapie). Überhaupt scheinen die Verhaltenstherapeuten diejenigen unter den Therapeuten zu sein, die am wenigsten mit Eifersucht ihre Lehre verteidigen - heute werden über 50 verschiedene Methoden und Einzelverfahren im Rahmen der Verhaltenstherapie angewendet. Und das obwohl gerade die Verhaltenstherapie großen Wert auf wissenschaftliche Kriterien bei den therapeutischen Interventionen legt.
Konditionierung ist der Lernvorgang, aufgrund dessen natürlich vorkommende Körperreaktionen (z.B. Speichelfluss), durch künstliche Reize (z.B. Schritte) ausgelöst werden. Pawlow ersetzte den Klang der Schritte durch ein Glockenklingeln. Er konnte zeigen, dass die Speichelsekretion allein durch den Klang der Glocke ausgelöst werden konnte. Dieser Vorgang bezeichnet das klassische Konditionieren.
Daneben gibt es das operante Konditionieren. "Zuckerbrot und Peitsche" sagt der Volksmund zu diesem Verfahren und meint: Verhalten wird häufiger ausgeführt, wenn es eine Belohnung dafür gibt – Verhalten wird weniger ausgeführt, wenn es eine Bestrafung dafür gibt. Im Kontext der Verhaltenstherapie gibt es 4 Möglichkeiten Belohnung und Bestrafung einzusetzen:
Wichtig: Konditionierung funktioniert nicht nur bei reflektierbarem Verhalten (z.B. Bußgeld für zu schnelles Fahren = negativer Reiz, Bestrafung → Verhalten nimmt ab (na ja, manchmal)) – es funktioniert auch bei Reaktionen, die nicht dem Willen unterliegen wie z.B. Herzklopfen, Erröten, Händezittern, Verdauung, Muskel(ver)spannung, Immunsystem, Schmerz.
Beispiel: Alkohol und operantes Konditionieren:
Ein Patient trinkt nach seinen stressigen Arbeitstagen öfters ein Glas Rotwein zum Abschalten. Die Wirkung ist ein positives Gefühl – Entspannung. Verhaltenspsychologisch ist das eine positive Verstärkung, das Verhalten nimmt zu → Erleichterungstrinken.
Der Patient merkt, dass er mit mehr Alkohol besser einschlafen kann, denn seine Grübelneigung wird gedämpft (= Entfernen eines negativen Reizes, negative Verstärkung). Dadurch wird sein Trinkverhalten weiter zunehmen.
Der Patient bekommt durch den Alkoholkonsum ein Magengeschwür (negativer Reiz, Bestrafung), sein Alkoholkonsum nimmt ab (wenn er noch nicht Suchtkrank ist).
Die Entspannung durch den Rotwein wird durch die abendlichen Streitereien mit seiner Frau wegen seines Alkoholkonsums zunichte gemacht. Verhaltenspsychologisch ist das die Entfernung eines positiven Reizes (Löschung), was im Idealfall ein Abnehmen des Trinkverhaltens bewirkt.
Ungünstige Reaktionen können verlernt -, und durch günstige Reaktionen ersetzt werden.
Wie gesagt, davon gibt es viele. Die Verhaltenstherapie strebt danach, für jede psychische Störung ein spezifisches therapeutisches Vorgehen zu entwickeln. Hier einige gängige Interventionsmethoden:
Systematische Desensibilisierung
Wird hauptsächlich bei konkreten Ängsten eingesetzt. Patient und Therapeut entwickeln zusammen eine Angsthierarchie. Das ist eine Liste – unten steht der Reiz, der am wenigsten Angst auslöst, oben steht die Situation, die am meisten Angst erzeugt.
Nun lernt der Klient ein Entspannungsverfahren. Danach setzt sich der Patient der niedrigsten Stufe der Angst aus, und begegnet ihr mit seiner Entspannungsmethode. Sobald die Angst durch die Entspannung verschwindet, wendet er sein Entspannungsverfahren beim nächsthöheren Angstreiz an. Dies führt er fort, bis er sogar die höchste Angststufe mittels Entspannung in den Griff bekommt.
Der Patient wird dadurch weniger sensibel für die Angstreize. Sinnvollerweise wählt man als Entspannungsverfahren eines, das in der Öffentlichkeit und im Stehen angewendet werden kann, z.B. Progressive Muskelentspannung nach Jackobson. (Will man sich in einer Menschenmasse entspannen, tut man sich mit Autogenem Training im Liegen schwer.)
Reizkonfrontation
Bei situationsbezogenen Ängsten (z.B. Höhenangst). Der Patient wird (nach genauer Aufklärung) der angstmachenden Situation ausgesetzt. Auch wenn massive Angstzustände auftreten, muss der Patient die Situation aushalten und darf nicht fliehen, oder eine andere Vermeidungsstrategie anwenden. Und obwohl die Patienten das Gefühl haben können, ohnmächtig zu werden, oder gar zu sterben, machen sie am Ende die Erfahrung, dass die Angst wieder abklingt. (Der Körper verfügt nur über einen bestimmten Vorrat an Stresshormonen, ist der aufgebraucht, lässt die Angst nach).
Die Reizkonfrontation kann massiv oder abgestuft (graduiert) erfolgen. Das besonders massive Verfahren heißt Flooding (engl. Überfluten). Der Patient wird der höchsten Angst ausgesetzt und muss sie aushalten. Die Annahme dahinter ist: "Merkt der Patient, dass er es überlebt, dann verlernt sein Körper Angst zu produzieren."
Je nach Menschenbild ist dieses Verfahren entweder "produzierte Hölle" oder "geniale Therapie". Neuen Untersuchungen zufolge, sollen massive Reizüberflutungen beste Ergebnisse zeigen. (Aber da zwei Stunden Flooding billiger sind als zehn Stunden Desensibilisierung, darf der mündige Patient bei solchen Statistiken kritisch sein.)
Kognitive Therapie (kognitiv: Das Wahrnehmen, Denken, Erkennen betreffend.)
Entwickelt von Aaron T. Beck, angewendet meist bei Depressionen, aber heute auch bei somatoformen Störungen, Süchten und Persönlichkeitsstörungen.
Gerade depressive Patienten haben oft eine negative Sicht auf sich selbst, die Umwelt und die eigene Zukunft. Der Patient lernt diese krankmachenden, meist automatisch ablaufende Gedanken zu erkennen. Im zweiten Schritt werden diese Gedanken daraufhin überprüft, ob sie nützlich und realistisch sind. Anschließend werden die negativen Gedankenmuster durch günstige und realistische ersetzt.
Der Mensch ist unbegrenzt formbar. Er ist ein passives, von außen steuerbares Wesen. Er kann "dressiert" werden.
Wie erwähnt, sammeln sich eine Fülle von Therapiemethoden unter dem Oberbegriff Verhaltenstherapie. Deshalb ist die Verhaltenstherapie für viele seelische Störungen sinnvoll – besonders bei Ängsten, Zwängen, somatoformen Störungen, aber auch Depressionen, Essstörungen, Suchterkrankungen und Persönlichkeitsstörungen.
Die Ausbildung zum Verhaltenstherapeuten ist umfassend und langwierig. Achten Sie darauf, dass auch "Verhaltenstherapeut drin ist", wenn Verhaltenstherapeut auf dem Türschild steht.
Verhaltenstherapie wird von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt.